Kapitel 15 "Der Rückschlag"



Alles fühlte sich gut an.

Das Gefühl, endlich verstanden zu haben.

Endlich etwas gefunden zu haben, dass nur für mich war.

Das Alte zu verarbeiten und gleichzeitig das Neue zu verstehen.

Es ging mir einfach gut.

Denn ich fing nicht nur an zu schreiben -


Ich begann mich neu auszurichten.


Ich suchte nicht mehr nach der Wertschätzung von außen, denn sie begann in mir.

Und was ich in mir sah, war genug!


Ich war im Einklang.

Mit mir – und mit dem, was ich erkannte. Und das war das Wichtigste.

Nur wer sich selbst akzeptiert, kann auch andere wirklich sehen.


Doch ich bin ein Mensch.

Und wie das so ist, kam nach der ersten Euphorie ein Absturz, mit dem ich nicht gerechnet hatte.


Es näherte sich ein Tag, den ich ab diesem Zeitpunkt mit anderen Augen sehen wollte.

Denn mein Herz suchte immer noch nach einer Erklärung - und mein Verstand nach einem Schuldigen.

Und ich glaubte, ihn gefunden zu haben.


Ich war es.


Es war damals...

Ein Feiertag, an dem wir uns alle trafen und eine schöne Zeit verbrachten.

Wir waren mittlerweile Freunde geworden. Doch das bedeutete für ihn viel mehr, als ich damals erahnen konnte.


Leider kam es an diesem Tag dazu, dass alle von meinen Gefühlen zu ihm erfuhren.

Dadurch wurde diese Freundschaft schlagartig zerstört.

Das war für ihn ein großer Verlust.

Ich erfuhr erst, nachdem er „gegangen“ war, wie viel ihm diese Verbindung zu uns allen bedeutet hatte.


Es war ungefähr zwei Monate nach seinem Fortgehen,

als seine Oma mit mir Kontakt aufnahm.

Endlich! Ich hatte darauf gewartet, dass jemand nach ihm fragen würde.

Ich war ja sein letzter Kontakt - das wussten sie von seinem Freund.


Wir trafen uns ein paar Mal und halfen uns gegenseitig, mit dem physischem Verlust zurechtzukommen.


Irgendwann erzählte sie mir von seinem Leben.

Dass er ein Einzelgänger war und nur noch wenig Kontakt zu Menschen hatte -

einerseits, weil er sich nicht ernst genommen oder verstanden fühlte,

andererseits, weil er das Gefühl hatte, nur wenigen wirklich etwas zu bedeuten.


Sie sagte, dass er unsere Freundschaft sehr geschätzt hatte.

Er liebte es, bei uns zu sein, und blühte regelrecht auf.

Endlich konnte er sich mit Menschen austauschen, die dachten wie er.

Nicht mehr belächelt und gemieden - endlich ernst genommen.


Ich kannte seine grobe Vergangenheit und wusste von vielem.

Und davon das er seiner Oma alles erzählte.


Anfangs war er überrumpelt, als er erfuhr, dass es jemand geben soll, der ihn liebt.

Er kannte dieses Gefühl nicht - das wusste sie.


Was ich in diesen Gesprächen noch erfahren sollte, brach mir das Herz.

Er war eigentlich sein Leben lang allein.

Auf sich gestellt.

Nicht weil er es wollte - sondern weil er es musste.

Selbst in seinem eigenen Elternhaus spürte er keine Liebe.

Er wurde nicht wertgeschätzt - egal was er tat.


Nun hatte er endlich Freunde gefunden, die ihn verstanden und gesehen haben.


Und plötzlich kam alles in mir hoch.

Die Erinnerung.

Die Gespräche mit seiner Oma.


Und mir wurde mit einer Härte bewusst, die in mir nachhallte:


Ich bin schuld!


Ich habe ihm das genommen, wonach er sich so lange sehnte.


Durch meine Liebe - von der ich zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht wusste, was sie wirklich bedeutete.


Die Gedanken in denen ich mir die Schuld gab zerfraßen mich.


Warum hab ich meine Gefühle nicht für mich behalten?

Ich wusste doch, dass wir niemals eine Beziehung haben werden.

Wir könnten doch alle noch zusammen sein.

Und er wäre noch hier.


Auf einmal fing ich wieder an zu hinterfragen:


- Kann das sein, dass er mich wirklich begleitet?


- Ist er da?


- Hat er mir verziehen?


- Ist er nicht einfach nur „tot“?


Und ich kam erneut ins Wanken.


Ich fragte mich, ob mein Weg der richtige war.

Und ob ich nur glauben wollte, dass er mich begleitet -

vielleicht aus schlechtem Gewissen?

Vielleicht weil ich immer noch nicht richtig getrauert hatte?


Die Gedanken fuhren Achterbahn.

Es vergingen ein paar Tage, in denen ich mich leer fühlte.

Ich hatte keinen Drang zu schreiben - am liebsten wäre ich einfach unter meine Bettdecke gekrochen.


Doch das Leben fragt nicht.

Es geht einfach weiter.


Und da waren sie plötzlich wieder - die Zeichen,

die immer nur kamen wenn ich zweifelte.

An mir, an ihm, an meinem Weg.


Ich versuchte mich zu erden und stellte mir selbst die Frage:


Warum schreibe ich?


Doch darauf gab es nicht nur eine Antwort.

 

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