Kapitel 4 "Die Verbindung"
Alles begann wie eine normale Freundschaft.
Wir trafen uns alle regelmäßig, teilten unsere Ansichten - und mit der Zeit wurden unsere Gespräche immer tiefgründiger.
Aber ich merkte schnell, dass da mehr war, zwischen ihm und mir, als das, was wir selbst zu erkennen glaubten.
Er erzählte mir von privaten Dingen - von Familie und Freunden.
Es schien, als spürte er eine Vertrautheit, die nicht aus unserem aktuellem Kennenlernen kam.
Ich hörte ihm zu, ich war für ihn da.
Vielleicht aus dem eigenen Wunsch heraus, dass auch einmal jemand so für mich da sein könnte.
Es gab keine Tabus - wir erzählten uns alles.
Und auch mir gaben diese Gespräche das Gefühl, verstanden zu werden.
Es war, als ob wir uns ewig kannten…
So verging die Zeit - und ich fühlte mehr.
Mehr, als ich sollte.
Mehr, als ich durfte.
Mehr als ich verstand.
Als ich ihm meine Liebe gestand, fiel er - vielleicht buchstäblich - aus allen Wolken.
Er sagte, er kenne so etwas nicht. Gefühle mit solcher Tiefe - solche, die einen fast überrollen.
Vielleicht wurden sie auch nur neu erweckt.
Für ihn war es wie eine Fahrt auf der Achterbahn ins Ungewisse.
Ich konnte ihn verstehen - denn auch ich kannte diese Fahrt.
Es wurde still.
Eine Stille, mit der ich schwer umgehen konnte.
Doch dann näherte er sich mir wieder an und erzählte mir, warum er so reagiert hatte.
Er hatte nie wahre Liebe erfahren - und es fühlte sich für ihn an, als reiße jemand seine Mauern ein.
Die Mauern, die er mit jeder Enttäuschung, mit jedem „Nicht-Gesehen-Werden“ höher und höher gezogen hatte.
Er fühlte sich vom Leben klein gehalten.
Und da war sie - unsere Gemeinsamkeit.
Denn auch ich fühlte mich so. Von Kindheit an.
Auch ich kannte dieses Gefühl, nicht wirklich gesehen zu werden.
Es hatte ihm niemand vorgelebt, Liebe zu geben - oder sie anzunehmen.
Und doch spürte auch er diese tiefe Verbindung.
Nicht als eine Romanze - sondern wie etwas, das in ihm längst geschlummert hatte.
Auch ich selbst sollte diese Liebe nicht in der Form erleben, wie ich sie glaubte zu fühlen.
Wir redeten viel in dieser Zeit - einfach über alles.
Und das tat so gut wie lange nichts anderes - uns beiden.
Uns war jedoch klar, dass aus dieser besonderen Verbindung keine feste Beziehung entstehen konnte.
Zumindest nicht die Art von Liebe, die zwischen Mann und Frau besteht.
Die Umstände - und der Verstand - erlaubten es einfach nicht.
Doch diese tiefe, innere Verbundenheit war da.
Das konnte keiner von uns leugnen.
Ich sagte oft zu ihm :
„ Ich liebe dich - auf eine besondere Art“.
Und genauso wenig, wie den Satz:
„ Ich weiß nicht warum, aber du wirst in meinem Leben eine besondere Rolle spielen“
...verstand ich selbst, woher diese Worte kamen.
Oder warum ich sie sagte.
Ich wusste nur, dass es so war.
Dass ich sie einfach sagen musste.
Immer wieder. Solange wir uns kannten.
Ich glaube, wir waren beide mit dieser Situation überfordert.
Und wie es oft so ist, wenn viele Gefühle im Spiel sind – es kommt zu vielen Missverständnissen. Zu Rückzügen.
Zu Streit.
Wir wussten einfach nicht warum wir nicht miteinander - aber auch nicht ohneeinander konnten.
So vergingen drei Jahre.
Drei Jahre, in denen wir wussten, dass uns ein starkes Band verbindet - uns aber gleichzeitig auf Distanz hielt.
Wie, von etwas Höherem geführt.
Es erlaubte uns, nur mit einem gewissen emotionalen Abstand füreinander da zu sein.
Nicht näher - aber auch nicht weiter entfernt.
Es war, als sollten wir füreinander da sein - aber wir sollten uns nicht auf die Art lieben, wie sich ein Paar liebt.
Wir waren Freunde.
Aber wir wussten beide - da war viel mehr.
Mehr, als wir zu diesem Zeitpunkt verstehen konnten.
Mehr, als wir begreifen konnten...
Weiter zu Kapitel 5 "Stille"
👉https://meinlichtreiseblog.blogspot.com/2025/06/kapitel-3.html
Kommentare
Kommentar veröffentlichen